Bürokratie im deutschen Arbeitsrecht: Was Unternehmen aus der EU beachten müssen

Wenn Unternehmen aus der EU in Deutschland tätig werden oder Mitarbeiter nach Deutschland entsenden, müssen sie zahlreiche arbeitsrechtliche Vorschriften beachten. Das deutsche Arbeitsrecht ist bekannt für seine umfangreichen Regelungen zum Schutz der Arbeitnehmer, was für ausländische Arbeitgeber oft eine Herausforderung darstellt. Hier ein Überblick über die wichtigsten Pflichten und Anforderungen.

1. Arbeitsverträge in Deutschland: Was ist verpflichtend?

In Deutschland gilt das sogenannte Nachweisgesetz, das Arbeitgeber verpflichtet, die wichtigsten Vertragsbedingungen schriftlich festzuhalten.

  1. Schriftlicher Arbeitsvertrag: Obwohl mündliche Verträge in Deutschland gültig sind, muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die wesentlichen Arbeitsbedingungen schriftlich bestätigen.
  2. Pflichtangaben im Vertrag: Dazu gehören Arbeitszeit, Vergütung, Kündigungsfristen und Urlaubsanspruch.
  3. Befristete Arbeitsverträge: Diese müssen immer schriftlich abgeschlossen werden, sonst gelten sie automatisch als unbefristet.Praxisbeispiel:
    Ein italienisches Unternehmen stellt in Deutschland eine Vertriebskraft ein. Der Vertrag muss schriftlich vorliegen und klar regeln, welche Arbeitszeiten, Gehaltsbestandteile und Kündigungsfristen gelten.

2. Arbeitszeiten und Überstunden: Strenge Vorschriften in Deutschland

Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) legt klare Grenzen für die Arbeitszeit fest:

  • Maximal 8 Stunden pro Tag, in Ausnahmefällen bis zu 10 Stunden.
  • Mindestens 11 Stunden Ruhezeit zwischen zwei Arbeitstagen.
  • Überstundenregelung: Überstunden müssen entweder bezahlt oder durch Freizeit ausgeglichen werden.

Wichtig für EU-Arbeitgeber:
Die Arbeitszeiten in Deutschland sind strenger reguliert als in vielen anderen EU-Ländern. Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz können mit Bußgeldern bis zu 15.000 € geahndet werden.

Praxisbeispiel:
Ein polnisches Bauunternehmen schickt Arbeiter für ein Projekt nach Deutschland. Sie arbeiten regelmäßig mehr als 10 Stunden pro Tag. Bei einer Kontrolle durch das Gewerbeaufsichtsamt drohen hohe Bußgelder.

3. Sozialversicherungspflicht in Deutschland

Sobald ein Mitarbeiter in Deutschland arbeitet, unterliegt er in der Regel der deutschen Sozialversicherungspflicht, es sei denn, er verfügt über eine A1-Bescheinigung (bei Entsendungen aus der EU).

Die deutschen Sozialabgaben setzen sich aus folgenden Bestandteilen zusammen:

  • Krankenversicherung: ca. 14,6 % (je zur Hälfte von Arbeitgeber und Arbeitnehmer getragen)
  • Rentenversicherung: 18,6 %
  • Arbeitslosenversicherung: 2,6 %
  • Pflegeversicherung: 3,05 % (kinderlose Arbeitnehmer zahlen 3,4 %)

Ausnahme:
Wird ein Arbeitnehmer nur vorübergehend aus einem EU-Land entsandt, bleibt er im Heimatland sozialversichert, wenn eine gültige A1-Bescheinigung vorliegt.

Praxisbeispiel:
Ein tschechisches Logistikunternehmen hat Fahrer in Deutschland eingesetzt. Ohne A1-Bescheinigung müssen die Fahrer in Deutschland sozialversicherungspflichtig angemeldet werden.

4. Mindestlohn und Lohnabrechnung: Kein Spielraum für Verstöße

In Deutschland gilt ein gesetzlicher Mindestlohn, der regelmäßig angepasst wird. Seit Januar 2024 beträgt er 12,41 € pro Stunde (Stand: 2025 könnte er steigen).

Achtung für Arbeitgeber aus der EU:

  • Der Mindestlohn gilt für alle Arbeitnehmer, auch für entsandte Mitarbeiter!
  • In einigen Branchen (z. B. Bau, Pflege, Gastronomie) gelten höhere Tariflöhne, die zwingend einzuhalten sind.

Praxisbeispiel:
Ein ungarisches Reinigungsunternehmen stellt Personal für einen Auftrag in Deutschland. Es zahlt den ungarischen Mindestlohn. Das führt zu einem Verstoß gegen das deutsche Mindestlohngesetz, wofür hohe Strafen drohen.

5. Kündigung und Arbeitsschutz: Deutsche Gesetze sind arbeitnehmerfreundlich

In Deutschland gibt es strenge Vorgaben zum Kündigungsschutz. Besonders das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) schützt Arbeitnehmer vor ungerechtfertigten Entlassungen.

  • Kündigungsfristen: Die gesetzliche Kündigungsfrist beträgt mindestens 4 Wochen, verlängert sich jedoch mit der Betriebszugehörigkeit.
  • Kündigungsgründe: In Unternehmen mit mehr als 10 Mitarbeitern ist eine Kündigung nur aus betrieblichen, verhaltensbedingten oder personenbedingten Gründen möglich.
  • Betriebsrat: In größeren Betrieben hat der Betriebsrat bei Kündigungen ein Mitspracherecht.

Praxisbeispiel:
Ein spanischer Arbeitgeber möchte einen Mitarbeiter in Deutschland kurzfristig entlassen. Da das Unternehmen mehr als 10 Mitarbeiter hat, ist dies nicht ohne Weiteres möglich. Der Arbeitgeber muss einen anerkannten Kündigungsgrund nachweisen.

6. Meldepflichten für ausländische Arbeitgeber in Deutschland

Unternehmen aus der EU, die in Deutschland Arbeitnehmer einsetzen, müssen bestimmte Meldepflichten beachten:

  1. Meldung bei der Sozialversicherung: Arbeitgeber müssen ihre Arbeitnehmer bei einer deutschen Krankenkasse zur Sozialversicherung anmelden (es sei denn, es gibt eine A1-Bescheinigung).
  2. Zollanmeldung für entsandte Arbeitnehmer: Bei bestimmten Branchen (z. B. Bau, Reinigung, Pflege) müssen Arbeitgeber aus dem Ausland ihre Mitarbeiter vorab beim deutschen Zoll anmelden.
  3. Steuerliche Registrierung: Unternehmen ohne Sitz in Deutschland müssen sich für die Lohnsteuer registrieren lassen.

Praxisbeispiel:
Ein slowakisches Unternehmen schickt Monteure für einen Auftrag nach Deutschland. Es versäumt die Zollanmeldung, wodurch hohe Bußgelder drohen.

7. Sanktionen bei Verstößen gegen deutsches Arbeitsrecht

Wer als ausländischer Arbeitgeber die deutschen Vorschriften nicht einhält, riskiert hohe Strafen:

  • Mindestlohnverstöße: Bußgelder bis zu 500.000 €
  • Fehlende Sozialversicherung: Hohe Nachzahlungen und Strafen bis zu 50.000 €
  • Arbeitszeitverstöße: Bußgelder bis zu 15.000 €

Tipp für Arbeitgeber aus der EU:
Vor dem Einsatz von Mitarbeitern in Deutschland sollten alle arbeitsrechtlichen Vorschriften geprüft und erfüllt werden, um rechtliche Probleme und hohe Strafen zu vermeiden.

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