EU-weiter Handel über Deutschland: Wann gilt das Reverse-Charge-Verfahren?
Das Reverse-Charge-Verfahren (Umkehr der Steuerschuldnerschaft) ist eine Sonderregelung im Umsatzsteuerrecht, die besonders bei grenzüberschreitenden Transaktionen innerhalb der EU angewendet wird. Es bedeutet, dass nicht der Leistende (Verkäufer), sondern der Leistungsempfänger (Käufer) die Umsatzsteuer in seinem Land abführt.
1. Wann gilt das Reverse-Charge-Verfahren in Deutschland?
Das Reverse-Charge-Verfahren gilt in Deutschland bei bestimmten Geschäften, insbesondere:
– Innergemeinschaftliche B2B-Lieferungen (Warenverkauf zwischen Unternehmen in verschiedenen EU-Ländern)
– Innergemeinschaftliche Dienstleistungen (z. B. Beratung, Software-Entwicklung, Marketing)
– Bestimmte Umsätze in Deutschland, wenn der Leistungsempfänger in Deutschland umsatzsteuerpflichtig ist
– Lieferungen und Leistungen von ausländischen Unternehmen an deutsche Unternehmen
Wichtig:
- Das Reverse-Charge-Verfahren gilt nur für B2B-Transaktionen zwischen zwei umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen.
- Der Leistungsempfänger muss eine gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-ID) haben.
2. Reverse-Charge bei Warenlieferungen innerhalb der EU
Das Reverse-Charge-Verfahren gilt bei innergemeinschaftlichen Lieferungen, wenn:
– Der Verkäufer ein Unternehmen in einem EU-Land ist.
– Der Käufer ein Unternehmen in einem anderen EU-Land mit gültiger USt-ID ist.
– Die Ware physisch von einem EU-Land in ein anderes transportiert wird.
Wie wird die Rechnung ausgestellt?
- Der Verkäufer stellt eine Nettorechnung (ohne Umsatzsteuer) aus.
- Hinweis auf das Reverse-Charge-Verfahren (z. B. „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers“).
- Käufer muss die Umsatzsteuer in seinem Land berechnen & abführen.
Beispiel:
Ein Unternehmen in Deutschland verkauft Waren an ein Unternehmen in Frankreich.
- Der Verkäufer in Deutschland stellt eine Rechnung ohne 19 % deutsche Umsatzsteuer aus.
- Der Käufer in Frankreich muss die französische Umsatzsteuer berechnen & ans Finanzamt melden.
3. Reverse-Charge bei Dienstleistungen innerhalb der EU
Bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen gilt das Reverse-Charge-Verfahren, wenn:
– Dienstleistung wird an ein Unternehmen in einem anderen EU-Land erbracht.
– Der Leistungsempfänger ist ein Unternehmer mit gültiger USt-ID.
– Dienstleistungen fallen unter die „Generalklausel“ von Art. 44 der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL).
Welche Dienstleistungen sind betroffen?
- Beratungsleistungen (z. B. Rechtsberatung, Unternehmensberatung)
- Marketing- & Werbedienstleistungen
- Software- & IT-Dienstleistungen
- Vermittlungsleistungen
- Leasing von Maschinen
- Elektronische Dienstleistungen (z. B. Cloud-Software)
Wie wird die Rechnung ausgestellt?
- Der Dienstleister stellt eine Nettorechnung (ohne Umsatzsteuer) aus.
- Hinweis auf Reverse-Charge, z. B.: „Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers“ gemäß § 13b UStG.
- Der Empfänger muss die Umsatzsteuer in seinem Land berechnen & melden.
Beispiel:
Ein spanisches Marketingunternehmen erbringt eine Dienstleistung für eine deutsche Firma.
- Das spanische Unternehmen stellt eine Rechnung ohne Umsatzsteuer aus.
- Die deutsche Firma muss die deutsche 19 % Umsatzsteuer selbst berechnen & ans Finanzamt melden.
4. Reverse-Charge für ausländische Unternehmen in Deutschland
Falls ein ausländisches Unternehmen ohne Sitz in Deutschland eine Leistung erbringt, gilt das Reverse-Charge-Verfahren, wenn:
– Der Empfänger ein Unternehmen in Deutschland ist.
– Die Leistung in Deutschland steuerbar wäre.
– Der Leistungserbringer nicht in Deutschland ansässig ist.
Beispiele für Leistungen, bei denen Reverse-Charge in Deutschland gilt:
- Bauleistungen für deutsche Firmen (§ 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG)
- Lieferung von Gas & Elektrizität
- Telekommunikationsdienstleistungen
- Bestimmte Montagen & Werklieferungen
- Digitale Dienstleistungen von Nicht-EU-Anbietern (z. B. Google Ads, Facebook-Werbung)
Wichtig für ausländische Händler:
- Wenn du physische Waren in Deutschland lagerst oder an deutsche Kunden verkaufst, gilt kein Reverse-Charge – du musst dich in Deutschland für die Umsatzsteuer registrieren!
- Falls du digitale Dienstleistungen an deutsche Privatkunden verkaufst, gilt das OSS-Verfahren (One-Stop-Shop).
5. Reverse-Charge für Marktplatz-Verkäufer (Amazon, eBay, Shopify)
Falls du als ausländischer Online-Händler über Amazon FBA oder eBay Waren nach Deutschland verkaufst, gilt kein Reverse-Charge. Stattdessen musst du:
– Eine deutsche Umsatzsteuer-ID beantragen.
– Die 19 % Umsatzsteuer selbst berechnen & abführen.
– Falls du über einen Marktplatz verkaufst, eine Bescheinigung nach § 22f UStG vorlegen.
Ausnahme: Falls du als EU-Händler über das OSS-Verfahren (One-Stop-Shop) arbeitest, kannst du die deutsche Umsatzsteuer über dein Heimatland abwickeln.
6. Wann gilt Reverse-Charge nicht?
- Kein Reverse-Charge bei Verkäufen an Privatkunden (B2C)
- Kein Reverse-Charge bei Lagerung in Deutschland (z. B. Amazon FBA)
- Kein Reverse-Charge bei innerdeutschen Geschäften
7. Meldung & Buchhaltung beim Reverse-Charge-Verfahren
Für den Verkäufer:
- Rechnung ohne Umsatzsteuer ausstellen
- Reverse-Charge in der Umsatzsteuervoranmeldung eintragen (Zeile 41 ELSTER)
- Innergemeinschaftliche Lieferung in der Zusammenfassenden Meldung (ZM) angeben
Für den Käufer:
- Umsatzsteuer in der eigenen Steuererklärung berechnen & ans Finanzamt zahlen
- Falls vorsteuerabzugsberechtigt → kann die Steuer direkt als Vorsteuer abziehen
Tipp: Falls du regelmäßig internationale Geschäfte machst, kann eine automatisierte Steuerlösung wie Taxdoo, Avalara oder Hellotax helfen.
Wann musst du das Reverse-Charge-Verfahren anwenden?
– Innergemeinschaftliche Lieferungen & Dienstleistungen (B2B innerhalb der EU)
– Leistungen von ausländischen Firmen an deutsche Unternehmen
– Bestimmte Bau- & Telekommunikationsdienstleistungen in Deutschland
– Digitale Dienstleistungen von Nicht-EU-Firmen an deutsche Unternehmen
Kein Reverse-Charge bei Verkäufen an Privatkunden (B2C)
Kein Reverse-Charge, wenn du Waren in Deutschland lagerst & verkaufst (Amazon FBA, Shopify, eBay)
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Kein Reverse-Charge bei Verkäufen an Privatkunden (B2C)
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Kein Reverse-Charge, wenn du Waren in Deutschland lagerst & verkaufst (Amazon FBA, Shopify, eBay)
Hast du eine spezielle Frage zu Reverse-Charge für dein Geschäftsmodell?
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